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Wie ich Kinderbuchautorin geworden bin…
Foto: Richarda Bucholz
Sobald ich lesen konnte, habe ich alles gelesen, was mir in die Finger kam: Bücher, Bücher, Bücher – in jeder Form. Da ich auf einem kleinen Dorf lebte und die dortige Bücherei in dem Ge­bäude der Freiwilligen Feuerwehr unter­gebracht war, hatte ich das Angebot im Kinder­buch­bereich schnell durchgelesen – und die Zeit bis zum Ge­burts­tag oder bis zum alljährlichen "Karl May-Band" zu Weih­nachten wurde stets viel zu lang.

Also las ich alles, was Buchstaben hatte: Zeitungen, Rezepte, Gebrauchs­anweisungen der Bohrmaschine meines Vaters, Backbücher, das Dr. Oetker Schulkochbuch, die Lebensratgeber der 50er Jahre wie "Das Einmaleins des guten Tons", die Radiozeitung auf der – eiskalten – Toilette meiner Tante oder die berüchtigte "Heim & Welt" bei meiner Großmutter – diese allerdings nur, wenn Oma mittags schlief…

Von meinem ersten Bilderbuch (ich bekam es im Alter von zwei Jahren) erinnere ich noch an die ersten Zeilen: "Kaspar macht auf seine Weise eine große weite Reise".
Mein erstes "richtiges" Buch – also eines mit mehr Text als Bildern (damals wurde von uns Mädchen in diesen Kategorien gedacht!), "Die kleine Neli" habe ich vor kurzem beim Packen von Umzugskartons tatsächlich wieder gefunden. Heute habe ich das Gefühl, dass auf jeder Seite ein pädagogischer Zeigefinger droht – aber damals war ich begeistert: Ein echtes, richtiges, eigenes Buch, nur für mich!

Bücher gab es nur als Geschenke: zu Weihnachten, zu Ostern und zum Geburtstag. Immer jeweils nur eines, zumeist von meiner Großmutter. Die Kasse meiner Eltern war knapp, und Bücher ließen sich ja schließlich auch ausleihen, im Gegensatz zu Schuhen oder Jacken…

Eines Tages jedoch wurde mir ein Buch tatsächlich von meiner Mutter verboten:
Ich hatte bei einem Kreuzworträtsel im Alter von 11 Jahren folgende Preise gewonnen: ein Staubtuch (meine Begeisterung hielt sich in Grenzen) und ein Buch (meine Begeisterung war groß) – aber leider trug dieses Buch den Titel "Ein leichtes Mädchen aus Madrid" und wurde daraufhin umgehend von meiner Mutter wieder einkassiert und mir erst zum 18. Geburtstag wieder ausgehändigt. Ich habe es dann verschlungen – es hat sich jedoch nicht gelohnt…

Danach habe ich während Schulzeit und Studium endlos die Bücher anderer gelesen und interpretiert, habe mich tapfer rezensierend und Unterricht vorbereitend durchs Referendariat geschlagen, und als ich dann endlich fertig war und als frischgebackene Lehrerin nun erneut und für immer die Bücher anderer im Deutsch-Unterricht in ihre Bestandteile zerlegen sollte – da entdeckte ich, dass ich eigentlich viel lieber selber schreiben wollte…!

So beendete ich direkt nach dem erfolgreichen Abschluss des 2. Staatsexamens mein noch kaum begonnenes Lehrerinnendasein und übte stattdessen das Worteschmieden in allen nur möglichen Sparten…

als Redakteurin einer kleinen Kulturzeitschrift (sehr erfahrungsreich)
als freie Journalistin für eine Tageszeitung (sehr lokalpolitisch bildend)
als Werbetexterin (sehr kreativitätsfördernd und disziplinschulend)
als Öffentlichkeitsarbeiterin für ein Umweltzentrum, eine Big Band und ein Weiterbildungsinstitut
(sehr horizonterweiternd)
als Redenschreiberin für Politik und soziale Institutionen (sehr unvergesslich…)

… bis eines Sonntagmorgens fünf kleine Außerirdische direkt aus meinem Kopf auf dem Regal meines Sohnes landeten.
Die Alpha-Bens!

Das war der Beginn meiner eigenen Geschichten, die seitdem sprudeln. Immer, wenn ich eine aufgeschrieben habe, klopfen zwei weitere bei mir an.

Illustration von Dorota Wünsch

Deshalb habe ich nun gar keine Zeit mehr für Bezirks­vertretungs-
sitzungen, für neue Namen für Süßstoffe oder Seifen, oder gar für Neujahrsreden mehr oder weniger bedeutsamer Politiker.

Ich brauche die Tage, Stunden, Minuten für etwas viel Wichtigeres:

Für viele, viele Geschichten, für viele, viele Kinder.
Alltagsgeschichten, in denen ihnen irgendetwas gar nicht Alltägliches begegnet oder passiert.
Spannende Geschichten, die zum Mit–Raten einladen.
Lustige Geschichten, die gute Laune machen.
Eben für Geschichten, die uns – meine kleinen Leser und mich – für ein paar Stunden in eine ganz andere Welt versetzen.

Von mir aus kann das jetzt die nächsten hundert Jahre so weiter gehen – ich freu mich drauf!

Sabine Lipan